Wir hätten uns nicht träumen lassen, dass trotz aller Widrigkeiten auch in diesem Winter wieder Weihnachten wird. So viel Krieg und Gewalt, so viel Zerstörung haben wir in diesem Jahr erlebt.
Mit großer Sorge sehen wir, wie im Heimatland Jesu die Gräben zwischen den Menschen immer tiefer werden. Wie schwer sich die Weltgemeinschaft tut, Brücken des Friedens zu bauen; im Nahen Osten, zwischen Russland und der Ukraine und an all den anderen Orten. Immer sind die Kinder die Leidtragenden und oft die Frauen.
Vielleicht sollten wir hier und heute wieder anfangen zu träumen und unseren Träumen trauen. Von Möglichkeiten träumen, von Hoffnungsglück, von einer hellen Zukunft und unsere Träume endlich Wirklichkeit werden lassen.
Maria hätte sich sicher nicht träumen lassen, dass von allen jungen Frauen in Israel, der Engel Gabriel ausgerechnet vor ihr landet und ihr Leben mit wenigen Worten völlig umkrempelt: „Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Du wirst einen Sohn gebären, der Sohn des Höchsten genannt werden wird.“ Gut, dass er wenigstens: „Fürchte dich nicht!“, gesagt hat, bevor er mit der Botschaft rüberkam, die Marias Leben völlig umkrempelte. Marias Wissen um den Zusammenhang von Zeugung und Geburt wischt er noch dazu mit einem Satz vom Tisch: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Und so geschieht es. So wird Maria Gottesmutter und Himmelskönigin.
Das hätte Josef sich nicht träumen lassen, dass ausgerechnet seine geliebte Maria hinter seinem Rücken eine Beziehung mit einem anderen angefangen hat. Die Folgen waren nicht mehr zu übersehen. Maria war schwanger, aber nicht von Josef. Was sollte er nun tun? Abhauen erscheint ihm als einzige Möglichkeit, denn da wäre Maria das arme sitzengelassene Opfer und würde Mitleid statt gesellschaftlicher Ausgrenzung ernten. Gut, dass ein Engel ihm im Traum ins Gewissen redet. Josef weiß, was er zu tun hat. Nach Gottes Willen bleibt er der Mann an Marias Seite.
Das hätten die Hirten sich nicht träumen lassen. Mitten auf die Langeweile ihres Lagers außerhalb von Bethlehem fällt himmlischer Glanz. Endlich sind sie mal im Mittelpunkt des Geschehens, kommen vom Rand in die Mitte. Finstere Gesellen stehen auf einmal im Licht. Endlich wird nicht über sie, sondern mit ihnen geredet. Und was sie zu hören und sehen bekommen, lässt ihnen Hören und Sehen vergehen:
Das menschgewordene Gotteskind liegt im Stall in einer Futterkrippe.
Die Hirten nicken sich zu: Kennen wir. So hat es mit uns auch angefangen, so war es auch bei unseren Kindern. Hirtenschicksal eben. Und dann gehen ihnen die Augen auf und sie begreifen, was das für eine großartige Sache ist. Nicht in Samt und Seide, nicht in Glanz und Gloria beginnt Gott seinen kleinen Anfang in der Welt, sondern in einer Armseligkeit, die nach Mist stinkt. Was für einem Gott fällt so etwas ein?
Das hätte König Herodes sich nicht träumen lassen:
Aus dem Mund dreier Sterndeuter muss er sich sagen lassen, dass er abgesetzt ist. Seine Macht findet im Stall von Bethlehem ihre Grenze! Wie alle Diktatoren reagiert er mit Wut und Gewalt, trachtet dem neugeborenen Königskind nach dem Leben. In seinem blinden Eifer lässt er eine ganze Generation umbringen. Aber es hilft ihm nichts. Die Herren der Welt kommen und gehen, unser Herr kommt, so heißt es. Das Kind stirbt nicht und das, was es in unsere düstere und verzagte Welt bringt, kann auch nicht sterben. Die Botschaft von Glaube, Hoffnung, Liebe und Frieden.
Lesung: Lukas 2 in Auswahl
Claudia Posche
(in: Evangelische Frauen im Rheinland (Hrsg.), Träume leben. Andachten 2026. 24 Andachten durch das Kirchenjahr 2025/2026)
Stille Nacht, heilige Nacht (EG 46)
O du fröhliche (EG 44)