Wie ein Lachen, wie ein Vogelflug
steigt mein Lied zum Himmel auf.
Und ich träume, mir wird leicht
Gottes Flügel tragen weit.
(WortLaute, Liederheft zum Evangelischen Gesangbuch 37)
Wer kennt sie nicht, die Wildgans? Ganze Heerscharen von Gänsen kommen im Frühjahr und Herbst auf dem großen Vogelzug in unsere Gefilde. Manche leben immer bei uns.
Was zeichnet die Wildgans aus?
Sie ist ein Zugvogel, ist dadurch viel unterwegs, kennt keine Grenzen. Dennoch ist sie auch längere Zeiten sesshaft, z.B. wenn sie ihre Jungen aufzieht. Wenn die Wildgänse gen Süden fliegen, tun sie das in Formationen. Wer vorne fliegt, das rotiert. Denn das ist Schwerstarbeit, was die Spitzenfliegerin da leistet. Andere nutzen ihren Windschatten (wie beim Formel 1-Fahren oder Radrennen). Die Wildgans weiß sich zur Wehr zu setzen, wenn Gefahr droht. Und dennoch – wenn die Gefahr zu groß ist, dann vernetzt sie sich, holt sich Hilfe z. B. beim Kranich. Und so ist für mich die Wildgans ein Vogel, der für Freiheit und Kraft und Lebenspower steht, aber auch vernetzt, sozial und für Fremde offen ist.
Im keltischen Raum ist die Wildgans das Symbol für die heilige Geistkraft – die Kraft, die uns Menschen inspiriert, uns aufbrechen und aufeinander zugehen lässt, die Freiheit sucht und Gemeinschaft findet. Die christliche Kommunität Iona in Schottland hat die Wildgans sogar in ihrem Logo – das hat mich begeistert.
„Immer unterwegs, niemals gezähmt,
in einer Ordnung zusammenfliegend
wegen der besseren Geschwindigkeit,
anstößig für feste Siedler,
aber eine Inspiration für unruhige Geister.“
So beschreibt die Kommunität sich und ihre Wahl.
Da ist Ordnung und Wildheit kein Widerspruch, sondern ergänzt sich auf wunderbare Weise.
Da ist alles, was die Welt braucht, um krisenfest zu sein.
Dieses Zusammenspiel von Vielen und Vielem in einem Geist, das sich kaum in Worte fassen, sondern nur in Bildern beschreiben lässt, das bringt das Symbol der Wildgans gut auf den Punkt. Gemeinsam unterwegs mit Menschen in einem Geist, in Bewegung, in Gemeinschaft, die Begeisterung, die ein „Miteinander schaffen wir das“ freisetzt. Die Wildgans – Gottes Geistkraft – offen für andere, Menschen mitziehend im Flug – auf dem Weg – füreinander Kraft einsetzend, wenn eine nicht mehr kann, ist eine andere dran.
Das alles finden wir auch in der Bibel. Im 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth, geht es um diese lebendige Geistkraft, die unterschiedliche Fähigkeiten – Gnadengaben – hervorbringt.
4 Es gibt Unterschiede in den geschenkten Fähigkeiten, doch sie stammen aus derselben göttlichen Geistkraft. 5 Es gibt Unterschiede in den Arbeitsfeldern, doch der Auftrag dazu kommt von ein und derselben Ewigen. 6 Es gibt Unterschiede in den Fähigkeiten, doch es ist derselbe Gott, der in allen alles in gleicher Weise bewirkt; 7 den Einzelnen offenbart sich die Geistkraft zum Nutzen aller. 8 Der einen wird durch die Geistkraft die Fähigkeit zum Denken und Reden in Weisheit gegeben, einem anderen durch denselben Geist die Fähigkeit, Offenbarungen weiterzugeben. 9 Der nächsten wird Vertrauen gegeben – von derselben Geistkraft –, einem anderen wiederum die Fähigkeit zu heilen – durch die eine Geistkraft –, 10 eine andere erhält die Fähigkeit, Wunder zu tun, der nächste die Gabe zu prophezeien, oder eine andere die Fähigkeit, zu deuten, ob alles tatsächlich durch die Geistkraft bewirkt wird. Andere bekommen die Fähigkeit, eine besondere Sprache Gott gegenüber zu sprechen, und wieder andere können sie deuten. 11 Alles dieses wirkt eine und dieselbe Geistkraft, die sich den Einzelnen mitteilt, so wie sie es will.
(1. Korinther 12,4-11 BigS)
Die verschiedenen Gnadengaben sind jetzt so gefragt, wie vielleicht schon lange nicht mehr. Die einen forschen, die anderen organisieren, die nächsten berichten aus dem Alltag und wieder andere stellen neue Ideen, Lösungen zur Verfügung. Manche probieren aus, andere warten mal ab und beobachten, aber alle sind aufeinander bezogen, miteinander im Kontakt, tauschen sich aus, freuen sich über Fortschritte und Entwicklungen. Trösten bei Fehlschlägen und nehmen auch das als heilsame Erfahrung mit auf den weiteren Weg.
So könnte ein guter, solidarischer Weg aus unserer momentanen Krise aussehen. Statt immer nur in „Entweder-Oder“, in „Was brauche ich und nützt mir am meisten?“ oder mit notorischem Misstrauen zu denken und zu leben.
Paulus sagt uns klar und eindeutig: Viele verschiedene Gnadengaben müssen zusammenkommen. Und das Entscheidende, Besondere ist dabei, dass Vertrauen unter uns herrscht.
Vertrauen und Offenheit, beides lässt uns Bedürfnisse und Notwendigkeiten ehrlich aussprechen, beides weitet den Blick für die jeweiligen anderen, beides lässt in aller Verschiedenheit nach gemeinsamen Lösungen schauen.
Das Gute – so Paulus – diese Geistkraft, die uns begeistert, die Leben schafft, die unser Miteinander lebendig macht, wird uns geschenkt. Gottes Geistkraft hilft uns, gemeinsam auf dem Weg zu bleiben, als Gemeinde, Gemeinschaft, Gesellschaft lebendig zu sein, Aufgaben und Lasten miteinander zu teilen und zu verteilen.
Diese Vision des Miteinanders ist nicht weltfremd, sondern überlebenswichtig – für mich als Einzelne, aber auch für die Weltgemeinschaft. Ob wir wollen oder nicht: Wir sind weltweit miteinander verbunden, ob wir wollen oder nicht. Wir können alles nur gemeinsam schaffen.
Und mit der Wildgans als Begleiterin kann es gelingen, dass Gottes Geistkraft hier und an allen Orten weht – und wir uns auch in Stürmen nicht verlieren, weil uns die Gemeinschaft stärkt und schützt.
Simone Pfitzner, Referentin für Seelsorge im Alter
Kirchenkreis Soest-Arnsberg
simone.pfitzner(at)evkirche-so-ar.de