Monatsandachten

Andacht Juni 2025

Chag Sameach - frohe Pfingsten!

Es gibt zwei Pfingstfeste: ein christliches und ein jüdisches. Beide haben viel gemeinsam, sie sind wie Geschwister einer Familie, Kinder eines Vaters, ein älteres, ein jüngeres. Manchmal fallen sie auf das dasselbe Datum, in diesem Jahr 2025 liegen sie eine Woche auseinander.

Das ältere, jüdische Fest: Fünfzig Tage, also sieben Wochen nach Passah wird ein Erntedankfest gefeiert, das auch Wochenfest oder auf Hebräisch Schawuot heißt. Der erste Weizen ist erntereif, die ersten Früchte werden Gott dargebracht. Die Häuser werden mit Blumen geschmückt. Es ist ein frohes, dankbares Fest, das zwei Tage dauert.

Die tiefere Bedeutung des Wochenfests leitet sich aus einem besonderen Ereignis ab. Wie das Buch Exodus erzählt, gab Gott seinem Volk fünfzig Tage nach dem Auszug aus Ägypten am Sinai die Gebote. So bekam Israel die Aufgabe, Gottes Absichten mit der Welt umzusetzen. Daran erinnert das jüdische Pfingstfest.

Seit der Zerstörung Jerusalems 597 v. Chr. sind die Gesetzestafeln mit den „Zehn Worten“ verschollen. Umso bedeutsamer wurde die Überlieferung der Tora in Wort und Schrift, in Studium und Gebet. Darum verbringen fromme Juden zusätzlich zum Gottesdienst die Nacht zwischen dem ersten und zweiten Pfingsttag in der Synagoge mit dem Studium der Heiligen Schriften. Schawuot feiern heißt auch gemeinsam lernen, Gottes Wort studieren, im Herzen bewegen und sich gemeinsam mit anderen um das Begreifen bemühen.

Das jüngere, christliche Fest: Fünfzig Tage, also sieben Wochen nach Ostern, feiern Christen Pfingsten. Der Überlieferung nach waren die Jüngerinnen und Jünger beieinander, um Schawuot zu feiern, wie alle anderen in Jerusalem, jedoch abseits von den anderen. Sie blieben lieber unter sich, denn sie fürchteten sich noch immer, nach allem, was zu Passah geschehen war. Der gewaltsame Tod Jesu und seine Auferstehung waren erst sieben Wochen her.

Und nun geschieht es, so erfahren wir aus der Apostelgeschichte 2,1-11, dass ein Brausen die Stadt erfüllt, sich auf die Jünger zubewegt und sie mit Heiligem Geist erfüllt. Sie loben und preisen Gott, und die Pilger aus aller Herren Länder verstehen es. Sie hören es in ihrer je eigenen Sprache. Die Leute sind verwirrt: Wie kann das sein? Es ist Feiertag, der Tempelplatz ist voller Menschen, und der Heilige Geist zieht an ihnen vorbei mit Brausen in die Versammlung der Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu.

Daraus sind Missverständnisse und falsche Schlussfolgerungen entstanden. „Gott hat sein Volk verstoßen“ – diese Behauptung ist so bösartig wie unheilvoll. Sie öffnete einem Judenhass Tor und Tür, dessen Zerrbilder teils heute noch wirksam sind und gedankenlos weitergegeben werden. Mit der Herabsetzung des jüdischen Glaubens durch eine sich selbst überhöhende christliche Theologie begann die unheilvolle Kette von Verdächtigungen, Anfeindungen und Verfolgungen, die zum Holocaust geführt hat und die sich heute wieder in erschreckendem Ausmaß in großen Teilen der Gesellschaft ausbreitet.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott hat sein Volk Israel nie verlassen. Das dürfen wir nie vergessen. Jede Form von Judenhass und Antisemitismus, von rechts, von links, religiös oder politisch motiviert, aus Dummheit oder Ignoranz, ist ein Verrat an Gott selbst. Wer einen Teil der Menschheit auslöschen will, versündigt sich gegen alle.

Wir Christen können nicht ohne die Juden sein. Zum christlichen Pfingsten gehört das jüdische Schawuot. Beide Feste erinnern daran: Gott gibt uns die Werkzeuge, die wir brauchen, um die Welt ihrer Bestimmung näher zu bringen: seine Gebote und seinen Heiligen Geist. Wir beide, Juden und Christen, sind Geschwister einer Familie, Kinder eines Vaters. Wir bezeugen und feiern, je auf unsere Art, Gottes Gegenwart in dieser Welt.
Chag Sameach - frohe Pfingsten allerseits!

Margit Büttner
(in: Evangelische Frauen im Rheinland (Hrsg.), Andachten 2025. Worte finden. 24 Andachten durch das Kirchenjahr)
 

Gebet

Geist der Wahrheit,
durch Dich erkennen wir, was noch im Dunkeln ist.
Hilf uns, Deine Botschaft tiefer zu verstehen.

Geist der Freude,
durch Dich erkennen wir den Schöpfer allen Lebens.
Vertreibe allen Hochmut und lass uns dankbar sein.

Geist der Hoffnung,
durch Dich sehen wir über das Gegenwärtige hinaus.
Zeige uns, wohin Du uns führen willst.
Amen

Liedvorschläge

Laudate omnes gentes, EG 181.6
Zu Ostern in Jerusalem, EG 569,1-3
 

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