Von den vier Evangelisten ist Matthäus derjenige, der sich am meisten für Träume interessiert. Tatsächlich beginnt das neue Kapitel der Heilsgeschichte, das von Jesus Christus handelt, mit einem Traum – und mit Josef.
Josef ist das letzte Glied in der langen Ahnenreihe Jesu, die bis auf Abraham zurückgeht. „Josef war der Mann von Maria. Maria war die Mutter von Jesus, der Christus genannt wird.“ Die Liste der Ahnen legitimiert Josef rechtlich als Vater Jesu.
Biologisch freilich war er es nicht, und das beunruhigte Josef zutiefst. Er war zwar mit Maria verlobt, aber körperlich waren sie sich noch nicht nahegekommen. „Da stellte sich heraus, dass Maria schwanger war „aus dem Heiligen Geist“, schreibt Matthäus. Und weiter:
„Ihr Mann Josef lebte nach Gottes Willen, aber er wollte Maria nicht bloßstellen. Deshalb wollte er sich von ihr trennen, ohne Aufsehen zu erregen. Dazu war er entschlossen. Doch im Traum erschien ihm ein Engel des Herrn und sagte: ‚Josef, du Nachkomme Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen. Denn das Kind, das sie erwartet, ist aus dem Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesu geben. Denn er wird sein Volk retten: er befreit es von aller Schuld.‘
Das alles geschah, damit in Erfüllung ging, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: ‚Ihr werdet sehen: Die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem werden sie den Namen Immanuel geben‘, das heißt: Gott ist mit uns.
Josef wachte auf und tat, was ihm der Engel des Herrn befohlen hatte: Er nahm seine Frau zu sich. Aber er schlief nicht mit Maria, bis sie ihren Sohn zur Welt brachte. Und er gab ihm den Namen Jesus.“ (Matthäus 1,19-25, BasisBibel)
Vertraut mit den Geschichten seiner jüdischen Glaubenstradition wusste Josef, dass Gott zu seinen Auserwählten im Traum spricht. Nicht nur seinem Namensvetter Josef, dem Sohn des Stammvaters Jakob, war es so ergangen, auch andere hatten Gottes Stimme im Traum gehört. Es gab Träume mit Warnungen und andere der Ermutigung, und dann und wann wählte Gott einen Menschen aus und gab ihm im Traum einen Auftrag.
Nun also traf es Josef, den Verlobten der Maria, selbst. Im Traum erschien ihm ein Engel des Herrn und sprach ihn direkt an. Das löschte alle Grübeleien und Zweifel aus. Josef wachte auf und tat, was ihm befohlen war: Er nahm seine Frau zu sich. Die Heilsgeschichte konnte ihren Lauf nehmen.
Manchmal sehen wir im Traum klarer als im wachen Leben.
Manchmal wachen wir auf und wissen genau, was zu tun ist.
Manchmal folgt dem ersten Schritt eine lange Zeit des Wartens, bis sich wirklich etwas ändert. Auch Josef musste sich bis zur Erfüllung des göttlichen Versprechens in Geduld üben. Die vier Wochen des Advents sind nur eine kurze, symbolhaft verdichtete Zeit der Erwartung, und sie erinnert uns daran, dass wir auf die Erfüllung der letzten Verheißungen Gottes noch immer hoffen.
Nicht nur in Wartezeiten, auch später noch, erleben wir Rückschläge und Hindernisse, die Unsicherheit auslösen und unser Vertrauen erschüttern können. So erging es auch Josef. Doch er vertraute der Stimme Gottes, die zu ihm im Traum sprach. So fand er Lösungen für bedrohliche Situationen:
Er blieb bei seiner Frau,
er gab seinem Kind den Namen Jesus,
er brachte ihn mit Maria zur Darstellung im Tempel.
Er flüchtete mit seiner kleinen Familie nach Ägypten, um dem mordenden Herodes zu entgehen,
und er führte sie, als die Gefahr vorüber war, wieder heim.
Gott spricht in der Nacht, wenn uns nichts anderes ablenkt. Wenn wir alles loslassen und uns der Führung Gottes überlassen. Hätte Josef nicht geträumt, und hätte er seinen Träumen nicht getraut, dann wäre nichts, wie es ist.
Himmlischer Vater,
wir danken dir für jede Nacht, in der wir gut schlafen können.
Danke für unsere Träume, die unsere Erlebnisse und Gedanken verarbeiten.
Lass uns aufmerken, wenn ein Traum uns etwas sagen will.
Vielleicht bist Du es ja, der zu uns spricht.
Segne diese Adventszeit,
segne unser Warten und Hoffen.
Amen
O komm, o komm, du Morgenstern (EG 19)
Margit Büttner
(in: Evangelische Frauen im Rheinland (Hrsg.), Träume leben. Andachten 2026. 24 Andachten durch das Kirchenjahr 2025/2026)