Das Lied „Nur ein Wort“ von der Deutschrock-Gruppe „Wir Sind Helden“ kennen wir alle. Seit 2008 ist es die Eröffnungsmusik der Talkshow von Markus Lanz. „Bitte gib mir nur ein Wort“, singen die Helden in ihrem Song, der das sprachlose Ende einer Beziehung beschreibt. - Ein Wort, ein Satz, etwas, woran ich mich festhalten kann, muss doch noch möglich sein, auch wenn eine Beziehung zu Ende ist. Sprachloses Schweigen, nicht wissen warum, nicht verstehen, - das kann fürchterlich sein, weil es uns so ohnmächtig zurücklässt. Mancher Erwachsene erinnert sich noch mit Schrecken daran, dass Mutter oder Vater nach einem Streit stundenlang nicht mit dem Kind gesprochen haben. Eine schlimmere Art der Bestrafung gibt es, abgesehen von körperlicher Gewalt, nicht. „Bitte gib mir nur ein Wort.“
Wir leben mit und durch Worte. Sprache ist die Brücke von Mensch zu Mensch. Wem das Sprechen nicht gegeben ist, findet in Gebärden die Möglichkeit, sich auszudrücken. Sprachlosigkeit oder Verstummen macht auch das Leid noch schwerer. Wenn ich anfange zu sprechen, auch bruchstückhaft und schluchzend, kann ich mit dem Schrecklichen umgehen. Wie wichtig ist es für unsere Kirche, dass vom Missbrauch Betroffene ihr Schweigen brechen, damit Täter/innen zur Verantwortung gezogen werden und sich etwas ändert in Kirche und Gesellschaft.
Vielleicht sind uns deshalb auch letzte Worte so wichtig. Sie können ein gesprochenes Testament, ein Vermächtnis, ein Trost für die Hinterbliebenen sein. Als die bekannte Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek, hochbetagt mit 92 Jahren Anfang Juni 2024 starb, soll sie ihrer Managerin gesagt haben: „In tiefer Dankbarkeit wechsele ich in die andere Welt. Es gibt sie, Sie können es mir glauben.“ Schön! Da geht eine in das Unbekannte jenseits unserer Erfahrung und ist davon überzeugt, dass sie auch dort gut aufgehoben sein wird.
Wir Christinnen und Christen glauben ja auch an ein „Danach“ bei Gott. Wie es sein wird, wissen wir nicht. Aber Jesus ist unser Zeuge. Er erzählt uns im Johannesevangelium von den himmlischen Wohnungen, vom Platz, der für uns vorbereitet ist. Und, dass er uns am Ende zu sich holt, damit wir bei ihm bleiben in Ewigkeit:
„Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin.“ (Johannes 14,1-3)
„Wir sind Bettler. Das ist wahr (hoc est verum)!“– Das sind die beiden letzten Sätze, die Martin Luther schon auf dem Sterbebett am Tag vor seinem Tod aufgeschrieben hat. Generationen von Theologen/innen haben darüber nachgedacht, wie diese Sätze zu verstehen sind. - Wenn Kinder zur Welt kommen, dann haben sie oft die Hände zu Fäusten geballt, aber am Ende des Lebens sind die Hände offen. Wir bringen alles mit in die Welt, aber wir nehmen nichts mit aus dieser Welt; vielleicht meinte Luther das mit seinen berühmten letzten Worten.
Am Ende lassen wir alles los: Menschen, Besitz, Ansehen, das ganze Leben. Mit leeren Händen stehen wir vor dem Haus Gottes, dem himmlischen Jerusalem. Im Mittelalter hat man sich das ewige Zuhause wie das Westfenster im Altenberger Dom vorgestellt: hell und golden, ein großes Schloss mit Engeln und Heiligen und freien Plätzen an den Fenstern und auf den Balkonen.
Wir sterben und gehen nach Hause. Zurück zu unserem Ursprung. Nichts bringen wir mit. Wir klopfen an und warten, erschöpft, mutlos, nackt.
Gott öffnet uns: Willkommen!
Claudia Posche
(in: Evangelische Frauen im Rheinland (Hrsg.), Andachten 2025. Worte finden. 24 Andachten durch das Kirchenjahr)
Lebendiger Gott,
manchmal haben wir keine Worte, um zu sagen, was wir fühlen.
Manchmal erstarren wir in sprachlosem Schweigen, weil wir nicht verstehen.
Manchmal gehen unsere Gedanken im Kreis, weil wir nicht wissen warum.
Hilf uns aus unserer Sprachlosigkeit und Ohnmacht heraus.
Tröste uns durch dein Wort, wenn unsere Wörter schweigen,
und lass uns darauf vertrauen, dass du immer da bist.
Bei dir sind wir gut aufgehoben – heute und in Ewigkeit.
Du bist unsere Hoffnung und unser Trost.
Amen
Wort, das lebt und spricht (EG 592)
Ich steh vor dir mit leeren Händen (EG 382)