Ich sehe in den Nachrichten zerbombte Häuser, Straßen und ganze Städte. Menschen, die auf der Flucht sind und nur sich und ihr Leben gerettet haben. Sie fliehen zu Fuß, sie riskieren alles für eine Fahrt übers Mittelmeer. Irgendwo angekommen, untergekommen, werden Zelte errichtet. Flüchtlingscamps. Provisorische Behausungen auf Zeit. Ein bisschen Schutz. Wenn überhaupt.
Mich machen diese Bilder in den Nachrichten sprachlos. Mir fehlen die Worte. Das darf alles nicht wahr sein. Menschen erleben die Hölle auf Erden. Menschengemacht. Ich halte die Bilder fast nicht mehr aus. Stumme Schreie. Und wer antwortet?
Da, wo ich mich wort- und hoffnungslos fühle, schickt Gott ihr Wort. Sie schickt es mitten in diese Welt, zu den Menschen im Kriegsgebiet und in die Flüchtlingscamps. Gott schickt ein Wort, das unter den Menschen sein Zelt aufschlägt. Im Johannesevangelium heißt es:
„Und das Wort wurde Fleisch und wohnt unter uns.“ (Johannes 1,14a)
Gott ist das Wort. Das Wort kam zur Welt und wohnt unter uns. Wörtlich übersetzt heißt es, Gott „schlägt sein Zelt auf.“ Gott zeltet. Mittendrin und mitten unter den Menschen wohnt es. Gottes Wort ist nah bei den Menschen. Er ist einer von ihnen und einer unter ihnen mit seinem Zelt. Auf der Flucht und nahezu ungeschützt, auf der Suche nach Zukunft.
Gott kommt als Wort zur Welt. Ein Wort, das die Macht hat, Menschen zu verändern, ein Wort, das tröstet und befreit, aufschreit und verstummen lässt, ein Wort, das keinen kalt lässt und die Zeit anhalten kann, das Wasser in Wein verwandelt und das Tote ins Leben zurückruft.
Wer in diesen Tagen Gott sucht, findet sie in ihrem Zelt bei den Menschen. Dort spricht Gott sein Wort. Sein Wort gilt den Menschen, an dessen Seite er zeltet. Es gilt den Politiker:innen und allen, die etwas zu sagen haben. Es gilt mir, die ich ohne Worte bin.
Gott ist das Wort. Gott ist die Liebe. Die Gerechtigkeit. Die Wahrheit. Gott ist der Frieden.
Katrin Wüst
(in: Evangelische Frauen im Rheinland (Hrsg.), Andachten 2025. Worte finden. 24 Andachten durch das Kirchenjahr)
Gott, Liebe des Lebens.
Sprich dein Wort. Schrei es heraus!
Ich will dich hören.
Gott, ich sehne mich nach Frieden.
Es ist nicht mehr auszuhalten.
Sag endlich was, damit etwas geschieht!
(einen Moment Stille)
Amen
Da wohnt ein Sehnen tief in uns (WortLaute, Liederheft zum Evangelischen Gesangbuch 85)
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn (EG 675)